Flow (2024) | Film, Trailer, Kritik (2024)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Und dann kommt die Flut

Wie sähe die Welt ohne uns Menschen aus? In seinem aufregenden, niederschmetternden und zugleich tröstlichen Sachbuch Die Welt ohne uns aus dem Jahr 2007 entwirft der Autor Alan Weisman hypothetisch eine Welt, in der die Menschen von einem Tag auf den anderen verschwunden sind. Welche Veränderungen könnten wir beobachten, was geschähe mit all den Zeugnisse menschlicher Zivilisation, den Häusern, den Städten, den anderen Hinterlassenschaften wie etwa den Kunststoffen, die wir der Erde als schweres Erbe hinterlassen haben? Zwar war zu der Zeit der bevorstehende Klimawandel längst in Grundzügen bewusst (zumindest jenen, die es wahrhaben wollten), doch natürlich sähe solch ein Buch mit dem Näherkommen der Bedrohungen durch eine sich aufheizende Erde noch einmal anders aus.

Ohne sich explizit auf Weismans Ausführungen zu beziehen, kann man Gints Zilbalodis’ faszinierenden Animationsfilm Flow durchaus als Illustration und Umsetzung von Überlegungen über die Erde ohne den Menschen einerseits und über die Folgen des Klimawandels andererseits lesen — auch wenn der Film dies gar nicht so eindeutig benennt. Mit seinem 85 Minuten langen Film setzt Zilbalodis seinen eigenen animierten Kurzfilm Aqua aus dem Jahre 2012 fort und schickt ein schwarzes Kätzchen erst durch einen märchenhaften Wald und dann auf die Flucht vor einen plötzlich hereinbrechenden Flut gigantischen Ausmaßes.

Faszinierend ist dabei vor allem die Perspektive, die der Film einnimmt. Von Beginn an begibt er sich nämlich auf Augenhöhe mit der namenlosen Katze, folgt ihr auf Schritt und Tritt bei der Pirsch im Wald, zeigt ihre Neugier, ihren Jagdtrieb, ihr Erschrecken und ihr Staunen und bringt uns so das Tier mit all seinen vorwiegend liebenswerten charakterlichen Merkmalen nahe, ohne dass wir allzu viel wüssten über seine Vorgeschichte, seine Herkunft und über das, was vorher geschah — oder allenfalls Ahnungen davon. Kurz bevor die Flut über die paradiesisch anmutende Umwelt hereinbricht, sehen wir ein verlassenes Anwesen, das einst wohl mal einem Bildhauer gehörte, dessen skulpturale Arbeiten Zeugnis ablegen von dessen Liebe zu Katzen und anderen Tieren. Ob das Kätzchen hier früher zuhause war, lässt sich nur mutmaßen. Jedenfalls wirkt das Tier so, als wäre es vertraut mit der einstmals belebten und beseelten Umgebung, die nun sich selbst und dem Zerfall überlassen ist. Der kommt dann allerdings anders und viel schneller, als dies normalerweise der Fall gewesen wäre.

Denn just an diesem Ort zeigen sich bald schon die ersten Anzeichen dessen, was der Region droht: Zunächst langsam steigt hier das Wasser, bis schließlich eine Sintflut alles niederwalzt, was sich ihr in den Weg stellt und die Katze ihrem ungewissen Schicksal entgegenspült. Wie durch ein Wunder überlebt sie die Flutwelle und landet schließlich auf einem Boot, wo sie sich mit einem Hund, einem Wasserschwein und einem Lemuren zusammentun muss, um die verschiedenen Gefahren zu meistern. Es ist der Beginn einer Odyssee, die den Vergleich mit Homers Sage nicht zu scheuen braucht.

Zum Glück — und das ist nur eine von vielen Qualitäten von Flow — kommen der Film und seine tierischen Protagonisten ohne jede Vermenschlichung der Fauna aus. Animationstechnisch kann und will der Film mit dem Niveau von Pixar und anderen US-Studios gar nicht mithalten, sondern geht seinen ganz eigenen Weg, der ein wenig an die Gestaltung von Computerspielen vergangener Tage erinnert. Dennoch gelingt es dem Film, gerade in der Reduzierung der grafischen Ausgestaltung insbesondere der Tiere diese zu sympathischen Projektionsflächen für das Publikum werden zu lassen. Und vor allem zu Beginn, wenn wir der Katze auf der Jagd durch den verwunschen wirkenden Wald folgen, wähnt man sich dem Erleben von Tieren viel näher als mit aufwendiger animierten Settings. Auch spürt man den gesamten Film hindurch Zilbalodis’ Faszination für Wasser in all seinen Formen und Zuständen von zartem Tropfen und langsamen Rinnen bis zur Urgewalt der Flutwellen.

Auch wenn in Flow Menschen keine Rolle spielen, kann und sollte man doch die Parallelen und Botschaften, die dieser Film ganz unpädagogisch und unaufdringlich bereithält, nicht übersehen: Um einer Katastrophe wie der gigantischen Flutwelle und der daraus resultierenden Überschwemmung zu trotzen, bedarf es der unbedingten Solidarität aller Lebewesen trotz ihrer ganz unterschiedlichen Lebensweisen und Charaktereigenschaften. Nur so können sie, nur so kann die Menschheit den Gefahren einer entfesselten Natur trotzen und das gegenseitige Überleben sichern. Es ist an der Zeit, dies zu verstehen und entsprechend zu handeln.

Die Welt scheint dem Ende geweiht. Eine schwarze Katze hat in einem unbewohnten Haus mitten in einem Wald Zuflucht gefunden. Eines Tages muss die Katze miterleben, wie eine reißende Flut mit verheerender Kraft durch den Wald fegt und ihren Unterschlupf zerstört. Sie findet auf einem Boot Zuflucht, das über das Wasser segelt. Auf diesem hat sich ein Wasserschwein verkrochen, und eine Reihe weiterer Tiere kommen hinzu.

Die Katze muss ihre Angst vor dem Wasser überwinden und lernen, mit den anderen Bewohnern trotz all ihrer Unterschiede zusammenzuarbeiten. Sie lernen, das Boot zu rudern, und treiben durch die Überreste menschlicher Zivilisation, die hin und wieder durch die Wasseroberfläche ragen. Gemeinsam meistern die Katze, der Golden Retriever, der Lemur, der Sekretärsvogel und das Wasserschwein die Herausforderungen und Gefahren dieser neuen Welt und suchen nach bewohnbarem Land. (Wiki)

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